RECENSIE      
 

MEISTERLICHE INTERPRETEN

GRONAU - Francis Poulencs Kompositionen gehören zum Eindrucksvollsten, was das 20. Jahrhundert an Musik hervorgebracht hat. Das erwies sich auch am Sonntag in der Ev. Stadtkirche: Der Enscheder Chor "Canteklaer" sang, passend zur Passionszeit, die "Quatre Motets pour un Temps de Pénitence", die der französische Komponist 1939 vollendet hatte. Poulenc setzt seine musikalischen Mittel zur Ausdeutung der Texte sehr geschickt, aber eher auf eine subtile Weise ein. Damit wird das Unterbewusstsein beim Hörer auf fast magische Weise erreicht.

Dissonanzen oder (wie bei der Passage "und er neigte sein Haupt und gab den Geist auf") abfallende Tonfolgen waren in den 1930er-Jahren keine bahnbrechenden kompositorischen Innovationen; doch wie Poulenc diese Mittel einsetzte, verleihen sie der Musik Tiefe. "Canteklaer" unter Leitung von Iassen Raykov schien am Sonntag ganz in der Musik aufzugehen und zeigte sich als meisterlicher Interpret der Motetten.

Ganz anders als bei Poulenc ging Franz Liszt an das Passionsgeschehen heran. Er vertonte den Kreuzweg, die "Via Crucis", mehr aus der Sicht eines Pianisten. Liszt deutete die Stationen auf eine sehr individuelle, persönliche Sicht. Das Ergebnis ist ein für ihn eher untypisches Werk, das weniger flammend-virtuose Züge aufweist, vielmehr eine innerliche Glut besitzt. Wobei der einleitende Hymnus den "alten" Liszt durchblitzen lässt, der mit mächtigen, raumgreifenden Akkorden Eindruck schindet.

Umso stärker fällt der Kontrast zum nachdenklich-meditativen musikalischen Gang durch die Stationen des Kreuzwegs aus, den Raykov mit beeindruckender Intensität interpretierte. Der Chor spielt hier eine weniger wichtige Rolle; oft sind es Solostimmen, die die Handlung erläutern; außer beim "O Haupt voll Blut und Wunden", das Liszt in sein Werk einfügte.

Die Zuhörer in der Stadtkirche spendeten Chor und Pianisten minutenlang Applaus für eine eindrucksvolle Leistung.

Bocholter-Borkener Volksblatt - 23 März 2010