RECENSIE      
 

EIN REQUIEM FÜR UNSERE ZEIT: LA COLOMBE HINTERLÄSST TIEFE EINDRÜCKE

NORDHORN - Ein tief beeindruckendes Chorkonzert haben die Zuhörer am Samstagabend in der Alten Kirche erlebt. Zu Gast was der zwanzigköpfige Kammerchor La Colombe aus Enschede under der Leitung seines Gründers und Dirigenten Iassen Raykov. Der abend begann nach der Begrüssung durch Kantorin Rushanja Salakhova mit einer Gedenkminute für die Terroropfer von Paris.

Aus dem Chorraum gestaltete ein Teil der Sänger im Anschluss "Kyrie" und "Agnus Dei" aus der vierstimmigen A-capella-Messe des englischen Renaissance-Komponisten William Byrd. Wunderbar klar gelang die polyphone Linienführung der Stimmen, die immer wieder in glanzvollen Höhepunkten gipfelte. Als Überleitung zum Hauptwerk des Abends spielte Dennis Vallenduuk auf der van-Vulpen-Orgel Arvo Pärts "pari intervallo", ein ruhig schreitendes meditatives Stück, in dem zwei Stimmen auf unterschiedlichen Manualen einander begleiten.

Zum Hauptwerk des Abends, der deutschen Erstaufführung von Helen Ostafews "Requiem for Humanity" versammelten sich alle Sänger auf der Orgelempore. Denn dieses eindrucksvolle Werk der englischen Komponistin und ehemaligen La Colombe-Sängerin steht in der Tradition der englischen Kathedralmusik, in der der Chor häufig von der konzertierenden Orgel begleitet wird. Ostafew hat in die Abfolge der traditionellen Requiem-Sätze (Requiem - Dies irae - Sanctus - Agnus Dei - Lux aeterna) lyrische und Prosatexte eingefügt, die um Leben und Tod kreisen.

So haben die buddhistische "Contemplation" und "Everlasting Voices" von Yeats die Kürze des Lebens zum Gegenstand. Audens "Funeral Blues" ist Ausdruck der Trauer einer einsamen Frau um einen Verstorbenen. Im Gegensatz dazu ist im Auszug aus der jüdischen Totenliturgie der Eingang in die Gemeinschaft der Toten wichtig. Gandhis Tekst "Faith" und das taoistische "Death is not an End" verknüpfen gegenwärtiges Leben mit der Ewigkeit.

Stilistisch ist die Komposition von ausserordentlicher Vielfalt. Zwar lebt sie auch von der Tradition der Requiem-Vertonungen, verwendet aber Klangspreizungen und Reibungen der Neuen Musik und ist insgesamt völlig eigenständig. Vor allem aber ergreift sie den Hörer durchweg. Er fühlt sich in das Drängende des "Dies irae" hineingezogen. Er kommt in "Contemplation" zur Ruhe. Er trauert mit der Stimme der Verlassenen in "Funeral Blues". Er fühlt sich als Mitglied der Trauergemeinschaft in der pastoral getönten jüdischen Totenliturgie. Und er weiss sich getröstet beim Hören des abschliessenden "Death is not an End".

Der Vortrag des Chores ist makellos. Wohlklang verband sich aufs Glücklichste mit intelligenter Textausdeutung. Hier ist besonders die sensible Gestaltung der Solopartien hervorzuheben, die von Chormitgliedern wunderschön gesungen wurden.

Mit stürmischen Beifall und Standing Ovations dankte das Publikum Iassen Raykov und seinem Chor und nicht zuletzt der anwesenden Komponistin. Helen Ostafews Werk darf man getrost der populären neuzeitlichen englischen Chormusik John Taveners und John Rutters an die Seite stellen.

Jörg Leune

Grafschafter Nachrichten